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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Zusammenfassung des Urteils UV 2008/100: Versicherungsgericht

Der 1956 geborene G. war neben seinem Hauptberuf als Landwirt auch bei der A. als Belader tätig und bei der Suva versichert. Nach einem Unfall im Juli 2006 wurde ihm die Taggeldleistungen eingestellt. Trotz Einsprache und rechtlicher Auseinandersetzung wurde der Rückschritt der Einsprache als endgültig betrachtet und die Beschwerde abgewiesen. Die Suva wurde angewiesen, auf die Einsprache des Beschwerdeführers einzutreten.

Urteilsdetails des Kantongerichts UV 2008/100

Kanton:SG
Fallnummer:UV 2008/100
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:UV - Unfallversicherung
Versicherungsgericht Entscheid UV 2008/100 vom 17.12.2008 (SG)
Datum:17.12.2008
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Der klar, ausdrücklich und unbedingt erfolgte Rückzug einer Einsprache ist nicht widerrufbar, wenn keine Willensmängel vorliegen und nicht Vertrauensschutz ausnahmsweise den Widerruf zulässt. Der Einspracheentscheid der Unfallversicherung, mit dem die Einsprache als durch Rückzug erledigt abgeschrieben wird, ist zu Recht ergangen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Dezember 2008, UV 2008/100).
Schlagwörter : Einsprache; UV-act; Rückzug; Recht; Besprechung; Willensmängel; Beschwerdeführers; Verfügung; Quot; Entscheid; Zusammenfassung; Unfall; Vertrauen; Leistungen; Integritätsentschädigung; Rechtsvertreterin; Einspracheentscheid; Willensmängeln; Vertrauensschutzes; Suva-Mitarbeiter; Luzern; Ehefrau; Akten; Verbeiständung; Begründung; Beschwerdeschrift
Rechtsnorm:Art. 27 ATSG ;
Referenz BGE:109 V 234; 111 V 156; 119 V 36; 125 V 413;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts UV 2008/100

Präsident Martin Rutishauser, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und Karin Huber-Studerus; Gerichtsschreiberin Vera Holenstein Werz

Entscheid vom 17. Dezember 2008

in Sachen G. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwältin Corinne Willimann, c/o Gübeli & Brack,

Frankenstrasse 18, 6003 Luzern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, Postfach 4358, 6002 Luzern,

Beschwerdegegnerin,

betreffend Versicherungsleistungen Sachverhalt:

A.

    1. Der 1956 geborene G. war neben seinem Hauptberuf als selbständiger Landwirt während zwei Tagen pro Woche und bei Bedarf auf Abruf bei der A. als Belader der Kehrrichtabfuhrwagen tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 31. Juli 2006 stürzte er aus einer Höhe von 5m von der Leiter und schlug auf einer Wurzel auf (UV-act. 3). Er zog sich dabei Frakturen an den Lendenwirbelkörpern 1 und 2 und an der rechten Schulter eine Ruptur der Rotatorenmanschette zu. Zusätzlich traten kardiopulmonale Probleme auf. Die Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen.

    2. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2007 teilte die Suva dem Versicherten mit, die ärztliche Untersuchung habe ergeben, dass eine Behandlung nicht mehr notwendig sei. Die Taggeldleistungen würden daher mit dem 1. Januar 2008 eingestellt und er werde über die weiteren Leistungen, insbesondere eine Integritätsentschädigung, separat Bericht erhalten (UV-act. 77). Am 17. Dezember 2007 fand bei der Suva eine Besprechung mit dem Versicherten im Sinn des rechtlichen Gehörs statt, in der ihm erklärt wurde, seine Erwerbseinbusse betrage weniger als 10% und begründe keinen Rentenanspruch, und bei der ihm die Integritätsentschädigung es war eine solche von Fr. 8'010.-- (7,5% von Fr. 106'800.--) ermittelt worden erläutert wurde (Besprechungsnotiz UV-act. 80). Ebenfalls am 17. Dezember 2007 wurde die entsprechende Verfügung an den Versicherten gesandt (UV-act. 81).

    3. Am 23. Dezember 2007 erhob der Versicherte schriftlich Einsprache gegen diese Verfügung und verlangte eine Aussprache mit der Suva. Diese fand am 9. Januar 2008 zwischen dem Versicherten und seiner Ehefrau sowie dem Aussendienstmitarbeiter und dem Case Manager der Suva statt (UV-act. 85). Die schriftliche Zusammenfassung der Besprechung stellte die Suva dem Versicherten am 10. Januar 2008 zu und hielt

nochmals fest, in welchem Rahmen er Anspruch auf weitere Heilbehandlung habe und dass er jederzeit Rückfälle melden könne (UV-act. 86). Mit Schreiben vom 11. Januar 2008 zog der Versicherte seine Einsprache vom 23. Dezember 2007 vorbehaltlos zurück.

B.

    1. In der Folge beauftragte der Versicherte Rechtsanwältin C. Willimann, Luzern, mit seiner Vertretung. Diese widerrief am 28. Februar 2008 schriftlich den Rückzug der Einsprache vom 11. Januar 2008 und machte geltend, der Versicherte habe seine Einsprache irrtümlich zurückgezogen (UV-act. 93). Nach Einsicht in die Akten reichte die Rechtsvertreterin am 22. April 2008 eine umfassende Stellungnahme ein (UV-act.

      104) und schob am 23. April 2008 eine Ergänzung nach (UV-act. 105). Sie machte geltend, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Versicherten seien zu wenig abgeklärt, und beantragte neben unentgeltlicher Rechtspflege und Verbeiständung die Aufhebung der Verfügung, ein polydisziplinäres medizinisches und ein biomechanisches Gutachten sowie die Ausrichtung weiterer Versicherungsleistungen inklusive Taggelder und eventualiter einer Unfallrente sowie die Erhöhung der Integritätsentschädigung auf mindestens 50%.

    2. Mit Entscheid vom 21. Juli 2008 schrieb die Suva die Einsprache als durch Rückzug erledigt ab und wies gleichzeitig das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung im Einspracheverfahren ab. Zur Begründung führte sie an, mit dem Schreiben vom 11. Januar 2008 sei die Einsprache klar, ausdrücklich und unbedingt zurückgezogen worden. Willensmängel des Versicherten lägen nicht vor. Wegen Aussichtslosigkeit bestehe kein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung.

C.

    1. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 12. September 2008 (act. G 1) mit den Anträgen, der Einspracheentscheid vom 21. Juli 2008 sei aufzuheben und die Suva anzuweisen, auf die Einsprache des Beschwerdeführers in materieller Hinsicht einzutreten. Dabei sei die Verfügung der Suva Linth vom 17. Dezember 2007 vollumfänglich aufzuheben, eventualiter sei die Suva anzuweisen, die Verfügung

      vom 17. Dezember 2007 aufzuheben. Die Sache sei zu weiteren Sachverhaltsabklärungen an die Suva zurückzuweisen und es seien dem Beschwerdeführer die gesetzlichen Leistungen auszurichten; alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Zur Begründung schildert die Rechtsvertreterin ausführlich die gesundheitlichen Beschwerden, die der Beschwerdeführer seit dem Unfall vom 31. Juli 2006 klagt, sowie deren bisherige und aktuelle Abklärung und Behandlung. Sie macht im Wesentlichen geltend, die schriftliche Zusammenfassung der Besprechung vom 9. Januar 2008 (UV-act. 85) sei unvollständig und der Beschwerdeführer sei von den Suva-Mitarbeitern gedrängt worden, die Einsprache zurückzuziehen. Zum Beweis reicht sie u.a. den Ausdruck eines E-Mails vom 12. September 2008 ein, in dem die Ehefrau des Beschwerdeführers über das "Rückzugsgespräch mit der Suva" vom 9. Januar 2008 berichtet. Sie führt weiter an, der Beschwerdeführer habe das Zusammenspiel der verschiedenen Sozialversicherungen nicht gekannt und die Suva habe ihre gesetzliche Aufklärungspflicht ungenügend wahrgenommen. Auch sei der Beschwerdeführer nicht über die Bedeutung eines Einspracherückzugs informiert worden. Er sei somit in mehrfacher Hinsicht Willensmängeln unterlegen, als er seine Einsprache zurückgezogen habe. Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes müsse der Einspracheentscheid vom 21. Juli 2008 zurückgenommen und auf die Einsprache eingetreten werden. Am 23. September 2008 hat die Rechtsvertreterin die Kopie eines Schreibens an die Suva vom gleichen Tag mit Arztund Verlaufsberichten nachgereicht (act. G 3).

    2. Mit der Beschwerdeantwort vom 15. Oktober 2008 (act. G 4) beantragt die Suva die Abweisung der Beschwerde vom 12. September 2008, soweit darauf einzutreten sei, und die Bestätigung des Einspracheentscheides vom 21. Juli 2008. Zur Begründung verweist sie auf letzteren und führt weiter aus, der Rückzug der Einsprache sei klar, ausdrücklich und unbedingt erfolgt, weshalb er (unter Vorbehalt von Willensmängeln) gültig und unwiderruflich sei. In den Suva-Akten liessen sich keinerlei Anhaltspunkte finden, welche auf irgendwelche rechtserheblichen Willensmängel des Beschwerdeführers hindeuteten. Auch die Ausführungen in der Beschwerdeschrift vermöchten keine rechtserheblichen Willensmängel nachzuweisen.

    3. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 schloss der Präsident des Versicherungsgerichts den Schriftenwechsel ab (act. G 5). Auf die Ausführungen in den Rechtsschriften wird, soweit entscheidnotwendig, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.

Streitig und zu prüfen ist, ob die Suva im Entscheid vom 21. Juli 2008 zu Recht die Einsprache als durch Rückzug erledigt abgeschrieben hat. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus materiellrechtliche Anträge stellt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bezüglich dieser materiellrechtlichen Anträge fehlt es am Anfechtungsgegenstand und damit an einer Sachurteilsvoraussetzung (BGE 125 V 413 E. 1a S. 414 und dort zitierte Entscheide, I 463/04 E. 1.1).

2.

    1. Nach der Rechtsprechung muss der Rückzug eines Rechtsmittels klar, ausdrücklich und unbedingt erfolgen (BGE 119 V 36 E. 1b S. 38f. und I 463/04 E. 2.2 je mit Hinweisen).

    2. Diese drei Eigenschaften treffen für das Schreiben des Beschwerdeführers vom

11. Januar 2008 (UV-act. 87) zu: Es ist kurz, prägnant und unmissverständlich abgefasst. In der gewählten schriftlichen Form ist der Rückzug der Einsprache ausdrücklich erfolgt. Zudem ist die Einsprache bedingungslos zurückgezogen worden.

3.

    1. Der klar, ausdrücklich und unbedingt erfolgte Rückzug eines Rechtsmittels ist grundsätzlich unwiderruflich; seine Gültigkeit kann nur noch bei Vorliegen von Willensmängeln und unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes geprüft werden (BGE 111 V 156 E. 3a S. 158, U 366/99 E. 2b und BVR 2007, 249 E. 2.2 sowie A. Kölz/

      I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage Zürich 1998, Rz. 683). Die Streitsache wird durch den Rückzug unmittelbar erledigt, der

      Abschreibungsentscheid hat nur deklaratorische Bedeutung (BGE 109 V 234 E. 3, übersetzt in ZAK 1984, 272ff. und Pra 73 [1984] Nr. 142; GVP 1970 Nr. 18, 49).

    2. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers führt in der Beschwerdeschrift ausholend aus, weshalb ihr Mandant beim Rückzug der Einsprache am 11. Januar

      2008 (UV-act. 87) Willensmängeln unterlegen sei. Sie beruft sich dazu in erster Linie auf die Schilderung des "Rückzugsgesprächs mit der Suva" durch die Ehefrau des Beschwerdeführers im E-Mail vom 12. September 2008. Dieser Beschrieb ist indessen offensichtlich unter dem Einfluss der Ablehnung des Widerrufs im Einspracheentscheid und zur Unterstützung der Beschwerdeschrift verfasst worden. Zudem ist er erst acht Monate nach der Besprechung vom 9. Januar 2008 verfasst worden. Entsprechend vermag er einen Irrtum des Beschwerdeführers beim Rückzug der Beschwerde nicht zu beweisen. - Demgegenüber ist die schriftliche Zusammenfassung der Besprechung durch den Suva-Mitarbeiter noch am gleichen Tag verfasst (UV-act. 85) und dem Beschwerdeführer am nächsten Tag zugestellt worden (UV-act. 86). In den Akten finden sich keinerlei Hinweise, dass der Beschwerdeführer der Darstellung der Besprechung vom 9. Januar 2008 durch die Suva in irgend einer Form widersprochen hätte. Daraus darf geschlossen werden, dass die schriftliche Zusammenfassung dem Gesprächsinhalt entspricht. Weiter lässt sich aus der Tatsache, dass bereits am

      17. Dezember 2007 ein Gespräch des Suva-Case Managers mit dem Beschwerdeführer stattfand, in welchem ihm das Berentungsverfahren, seine Erwerbseinbusse sowie die Integritätsentschädigung erklärt worden waren (UV-act.

      80), ableiten, dass der Beschwerdeführer bei der Besprechung vom 9. Januar 2008 fast gleichen Inhalts die "Bedeutung der Verfügung verstanden" hat, wie es in der schriftlichen Zusammenfassung (UV-act. 85) ausdrücklich festgehalten wurde.

    3. Die Suva-Mitarbeiter hatten anlässlich der Besprechung vom 9. Januar 2008 das Zusammenspiel zwischen Suva, Invalidenversicherung (IV) und Arbeitslosenversicherung bzw. Regionales Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) erläutert und den Beschwerdeführer an IV und RAV verwiesen (UV-act. 85). Damit hatten sie richtige Auskünfte erteilt, besteht doch gemäss Art. 70 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR

830.1) auch eine Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung für Leistungen, deren Übernahme durch die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung, die

Unfallversicherung die Invalidenversicherung umstritten ist. Weiter hatten die Suva-Mitarbeiter den Beschwerdeführer mehrfach angehalten, seinen Leistungsanspruch bei der IV und beim RAV geltend zu machen (UV-act. 77 und 80). Durch dieses Verhalten kam die Beschwerdegegnerin ihrer Aufklärungsund Beratungspflicht gemäss Art. 27 ATSG zweifellos nach. Ein Schutz verdienendes, Vertrauen erweckendes Verhalten der Suva, durch welches der Beschwerdeführer davon abgehalten wurde, seine Rechte durch ordnungsgemässe Weiterverfolgung des angehobenen Verfahrens geltend zu machen, ist nicht ersichtlich. Der Rückzug der Einsprache ist damit auch unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes nicht zu beanstanden.

4.

Zusammenfassend muss der Rückzug der Einsprache am 11. Januar 2008 als endgültig gelten und der Widerruf ist nicht zu beachten, da weder Willensmängel noch ein Tatbestand des Vertrauensschutzes vorliegen. Die Beschwerdegegnerin hat die Einsprache zu Recht mit Entscheid vom 21. Juli 2008 als durch Rückzug erledigt abgeschrieben. Die dagegen erhobene Beschwerde ist demgemäss abzuweisen,

soweit darauf einzutreten ist. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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